Krokodil

13.04.2023

Krokodil

Er hatte den Tisch gedeckt, als wäre es ein Bühnenbild, ein georgisches Bühnenbild. Als stünde er auf einer Bühne.

Ein langer schmaler Tisch, darauf weiße Bettlaken, an der Kante entlang immer abwechselnd eine Scheibe Weißbrot und eine Gabel, um den ganzen Tisch herum, in der Mitte Schüsseln mit Salaten, Aufstrichen, Käse, Fisch, Oliven, Früchte, Kuchen, er ging herum mit einem silbernen Tablett und verteilte Selbstgebrannten in kleinen Gläsern, ich fragte ihn, woher hast du das alles, er flüsterte, aus dem Krokodil, Pirosmani, komm, trink, viel zu schnell ist alles vorbei.

Er hatte gelacht.

Stand dann in der Ecke, lächelte vor sich hin.

Immer war er extrem unsicher, selbst unter seinen Freunden, vermied alle Formen von Angeberei, war nicht ironisch, stichelte nicht, stand in der Ecke, lächelte, jedem sagte er etwas Nettes, achtete darauf, dass sich alle wohlfühlten, genug zu trinken hatten. Wenn die Leute anfingen zu singen, ging er raus auf den Balkon, um zu rauchen, der Gesang lag ihm dann um die Schultern wie ein Mantel. Er sang nie mit.

Seine Wohnung war winzig, nur ein Zimmer, eine handtuchschmale Küche, die Wohnungstür stand offen, und die Freunde saßen und standen im Treppenhaus auf den Stufen. Seine Schwester und einer seiner vielen Cousins wuschen ständig Gläser und Besteck ab, versorgten die Gäste. Jurij schenkte ein, aus Zwei-Liter-Plastikflaschen, Selbstgebrannter und Rotwein aus der Heimat.

Sitzen bei Tisch mochte er nicht, diese starre Ordnung, das war wie Eingesperrtsein, Gefängnis.

Er träumte von einem Garten. Einem Haus, es konnte winzig sein, vielleicht bloß ein Zelt, und einem Garten, riesig. Die ganze Welt!

Hingehen, wohin er wollte, ohne an Grenzen zu stoßen.

Er hatte eine große verängstigte Seele. Und doch sagte er, ich möchte mich immerzu selbst erfinden. Neu beginnen. Wieder geboren werden. Nichts von Lebensüberdruss, Depression. Er freute sich an jeder Blüte, jedem Blatt. Dem um Futter bettelnden Spatz, der auf dem Fensterbrett saß.

Er lachte, sah mich ernst an und sagte:

– Ja, ich weiß, du hast Angst, in mein Chaos hineingezogen zu werden, in mein Nomadentum. Aber für wen lebst du, für dich oder für die anderen? Wem musst du etwas beweisen? Früher, da hatte ich auch ein Schloss.

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