Harry Cleaver »Das Kapital politisch lesen«

09.02.2012

Harry Cleaver »Das Kapital politisch lesen«Rezension

Klassenkampf neu bestimmen

Wurzelbehandlung. Harry Cleavers Lektüre von Marx’ »Kapital« aus den siebziger Jahren ist ein Klassiker. Nun ist sie auf Deutsch erschienen. Wie ­radikal wirkt sein Ansatz heute?

 

»Im Gegensatz zum Mainstream der marxistischen Lehre, die auf der Analyse der Mechanismen der kapitalistischen Ausbeutung beruht und die ›Selbsttätigkeit der Arbeiterklasse“ ignoriert, möchte Cleaver die Fähigkeit der Arbeiterklasse stärken, ›die Initiative im Klassenkampf zu übernehmen“. Der Klassenkampf besteht für ihn in zwei Momenten: einem ersten, in dem der Kampf der Arbeiterklasse das Kapital in die Krise stürzt. Und einem zweiten Moment, in dem das Kapital versucht, diese Krise gegen die Arbeiterklasse zu wenden, um wieder die Oberhand zu gewinnen.

Auch wenn es der Arbeiterklasse schmeicheln könnte, ihre Kämpfe weniger als eine Reaktion auf die zunehmende Ausbeutung zu sehen, sondern vielmehr umgekehrt, die Krisen des Kapitalismus als Zeichen ihres siegreichen Kampfes zu deuten, die von Seiten des Kapitals mit notwendig werdenden Anpassungsleistungen und neuen Strategien beantwortet werden müssen, fällt es schwer, Cleaver in dieser Umkehrung der Perspektive zu folgen.

(...)

Die Alternative (...) sieht Cleaver in der Schaffung von Inseln, die sich dem kapitalistischen Zugriff entziehen, um ›neue Arten des Daseins‹ schaffen, um ›unsere Tätigkeiten – einschließlich jener, die wir jetzt ,Arbeit‘ nennen – dahingehend zu reorganisieren, dass sie mit unseren eigenen Bedürfnissen frei vom kapitalistischen Kommando zusammentreffen‹.

Das schließt natürlich eine Diskussion über die Neu- und Umverteilung von Produktionsmitteln und (privatisierten) Gemeinschaftsgütern wie Land, Wasser, Bodenschätze und Energie mit ein. Im Kern aber formuliert Cleaver hier einen Gedanken, unter dem der in Mexiko lehrende Politikwissenschaftler John Holloway derzeit alle globalen Protestbeweungen zusammenfasst. In dem Buch Kapitalismus aufbrechen (Westfälisches Dampfboot, 2010) denkt Holloway den Kapitalismus als System, das wir täglich durch unser Handeln neu erschaffen, also auch durch alternatives Handeln, ›Inseln“ oder ›Cracks‹, wie Holloway sagt, von innen her ›aufbrechen‹ können. Holloways Praxismodell, das immer wieder als Erklärung der Occupy-Bewegung ins Feld geführt wird, wäre Cleaver wohl zu individualistisch. Doch hier wie dort ist die Botschaft für mögliche Kämpfe die gleiche: Nur Mut.«

 

Der Freitag Nr. 6, 9. Februar 2012, Literatur Seite 17

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