Gaby Wurster (Hg.) »Triest – Eine literarische Einladung«

29.03.2009

Gaby Wurster (Hg.) »Triest – Eine literarische Einladung«Buchbesprechung

»Mein Gott, ich hasse diesen Ort mit seinen endlosen Geschichten von Vertreibung, verlassenem Land, Familien, die sich danach sehnen, nach Hause zurückzukehren. Ich will in der modernen Welt leben«, sagt Silvana, eine Triestiner Malerin in der Erzählung »Café Wars« von Barbara Strathdee. Und weg wollen sie irgendwie alle aus Triest, der »einzigen italienischen Stadt Österreichs« während der k. u. k. Zeit und später dann, nach dem Ersten Weltkrieg, der »einzigen Stadt Italiens mit habsburgischer Kultur«. Aber dann kommen sie doch nicht los von der Triestinità, dieser melancholischen, introvertierten, selbstverliebten Geisteshaltung dieser Stadt, die zwischen Tradition und Moderne schwankt, die den Anschluss sucht, auch jetzt noch, wo doch die Grenzen schon eine Weile wieder offen sind, das Hinterland wieder betretbar, Slowenien, Österreich, Istrien, und sie, die Bewohner, endlich aus der jahrzehntelangen »geographischen Sackgasse«, die auch eine mentale war, hinaus ins Freie, in die Gegenwart treten können. Aber da sind eben die Geschichten, jede in ihrer Sprache, slowenisch, deutsch, italienisch, diesem besonderen venezianischen Dialekt, der so viele Elemente seiner Sprachnachbarn enthält, und es wird noch eine Zeit vergehen, ehe all diese Geschichten erzählt worden sind, übersetzt von der einen Sprache in die andere, bis daraus eine große Geschichte geworden ist, eine lange Erzählung mit vielen Erzählern, die einander nicht mehr ins Wort fallen.

Einen Anfang macht der kleine Band »Triest – Eine literarische Einladung« aus dem Wagenbach-Verlag – er spannt einen Bogen von den Triest-Klassikern Umberto Saba und Italo Svevo, die die Stadt des »traurigen Glücks« zur Protagonistin ihrer Lyrik und Prosa machten, über den Wahl-Triestiner James Joyce, der seinem »Ulysses« so manchen Bewohner der Stadt einverleibte, und die Chronisten Claudio Magris und Fulvia Tomizza, die an die Greuel der Faschisten und die Rache der Tito-Partisanen erinnern, bis hin zu Mauro Covacich und Ilma Rakusa, Scipio Slataper und Giani Stuparich, die von den kleinen Dingen erzählen, den Farben des Meeres, den Straßen, durch die scirocco und bora wehen, von den Spielen in der Kindheit. Große und kleine Geschichte(n) treffen aufeinander – und ergeben eine Vielstimmigkeit, die so nur hier, in dieser mitteleuropäischen Stadt an der Adria, zu finden ist.


»Triest – Eine literarische Einladung«. Herausgegeben von Gaby Wurster. Wagenbach, 144 Seiten, 15,90 Euro

FAS Nr. 13, 29. März 2009, Reise Seite V2

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