Noch eine
Seit ich vor Jahren einen Text über Schneeflocken und Eiskristalle schrieb und bei den Recherchen auf seine Geschichte stieß, ging er mir nicht mehr aus dem Kopf: Wilson Alwyn Bentley, der Mann, dem es, am 15. Januar 1885 mit 19 Jahren in Jericho im amerikanischen Bundesstaat Vermont, als einem der Ersten überhaupt gelang, Schneekristalle unter dem Mikroskop zu fotografieren. Jeder, der schon mal über dem Anblick der Flocken auf seinem Handschuh die Zeit vergessen hat, wird Bentleys Faszination für die streng geformten, durch bloßen Anhauch dahinschmelzenden Gebilde begreifen – und vielleicht auch die Leidenschaft verstehen, die den jungen Bentley packte. Im Laufe seines Lebens bannte er mehr als fünftausend Kristalle auf Fotoplatten, und da keines dem anderen völlig gleich war, stellte er 1922 die These auf, dass »no two snowflakes are alike«; erst 1988 wurde diese Behauptung durch zwei gleich aussehende Flocken widerlegt. Der in einem Bergbauerndorf in Vorarlberg geborene Schriftsteller Peter Schneider hat die Geschichte des »Schneeflockensammlers« für Kinder ab fünf Jahren erzählt, Linda Wolfsgruber sie adäquat illustriert und gestaltet. So ist ein Buch entstanden, das sich wunderbar zum Vorlesen am Abend, vor dem Einschlafen, eignet, oder für lange graue Herbstnachmittage, an denen man von den ersten Schneeflocken auf der Nasenspitze träumt.
Robert Schneider / Linda Wolfsgruber (Ill.): »Der Schneeflockensammler«. Jungbrunnen, 32 Seiten, 16 Euro, ab 5 Jahren
FAS Nr. 36, 6. September 2020, Feuilleton Seite 42