Yang Lian »Aufzeichnungen eines glückseligen Dämons«

15.10.2009 Sprache/Meta

Yang Lian »Aufzeichnungen eines glückseligen Dämons«Rezension

Fußspuren des Jahrhunderts

Buchmesse. Im Exil ist der Dichter Yang Lian zwar von der eigenen Sprache abgeschnitten. Aber mit seinen Gedichten und Essays überschreitet er spielend alle Grenzen der Sprache

 

»Die ›Reflexionen‹ in diesem ersten großen, auf Deutsch erschienenen Band von Yang Lian müssten auf die Leseliste aller, die sich zu China und seinen Literaturen äußern. Nicht nur entwickelt Yang Lian darin interessante Thesen zum Thema Exilliteratur, sondern äußert auch Erhellendes zum Verhältnis von Kommunismus und Markt. Dieses nämlich ist durchaus nicht so gegensätzlich, wie oft behauptet wird, stellt vielmehr inzwischen ein für beide förderliches Zusammenspiel dar.

Yang Lian ist zuerst und vor allem Dichter, was für ihn bedeutet, ›sein Selbst mit Hilfe der Literatur zu erschließen‹. Das Entscheidende für den Wert eines Gedichts sind in seinen Augen die Sprache und die Aufrichtigkeit des Autors. Dass er selbst seit zwanzig Jahren, seitdem die politische Tauwetterperiode auf dem Tiananmen im Juni 1989 blutig zu Ende ging, im Exil lebt, mache seine Gedichte weder besser noch schlechter, das Exil stellt keinen Wert an sich dar.

Allerdings wirkt es verschärfend, etwa dadurch, dass der Dichter von seiner Muttersprache abgeschnitten ist – was aber, wie Lian bemerkt, auch sein Positives haben kann. Das Leben in einer anderen Kultur- und Sprachgemeinschaft nämlich führe dazu, ›einen neuen Blick auf die Dinge‹ zu gewinnen, was zugleich bedeutet, eine eigene Sprache zu entwickeln.

So sei er zunächst ›ein chinesischer Dichter‹ gewesen, dann ›ein Dichter des Chinesischen‹, jetzt aber ›ein Dichter des Yanglischen‹ – eine eigene Sprache, die selbst den Chinesen fremd und ins Umgangschinesisch nicht übersetzbar sei. Letztlich sei ein Gedicht zu schreiben nichts anderes ›als der Versuch, die Grenzen der Sprache zu überschreiten‹. Das Exil hat also nur etwas befördert, dass man dichterische Selbstexilierung nennen könnte – ein Prozess, dem jeder Dichter von Rang unterworfen ist oder sich unterwirft und der nichts anderes bedeutet, als der Tradition des ›einsamen Widerstandes‹ folgen, das Denken individualisieren, eigene Formen entwickeln.«

 

Der Freitag Nr. 42, 15. Oktober 2009, Literaturbeilage Seite V

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