Literatur Die Fotografie ist ein melancholisches Medium, was sie festhält, wird augenblicklich von der Gegenwart in die Vergangenheit befördert, in die Vergänglichkeit. In Cécile Wajsbrots strengem, traurigem Roman »Eclipse« (...) ist die Erzählerin Fotografin und eine Sucherin, nicht nur durch die Linse der Kamera. Vor Jahren war sie verliebt in den »ungarischen Dichter«, aber er ist fort, eine mögliche gemeinsame Zukunft hat er mitgenommen. Und sie steckt in einer Schaffenskrise. Hört Musik in ihrem Pariser Stammcafé, Songs von Leonard Cohen, Bob Dylan, Pink Floyd, Patti Smith, Amy Winehouse, die Erinnerungen heraufbeschwören, Verluste. Sie surft im Netz, liest Interviews, lässt die Gedanken schweifen. Dann taucht ein Double ihres verlorenen Geliebten auf, ein ebenso schweigsamer Vorübergehender wie ihr verlorener Dichter. Sie spricht ihn an, nimmt eine Serie von Rückenansichten auf: Mann im Regenmantel, der sich immer mehr entfernt, nur noch ein Schatten, ein Schemen, der schließlich verschwunden ist. Wie auch das Modell verschwindet. Aber ihr bleiben, dieses Mal, die Fotos. Reminiszenz an das Ephemere, Vergängliche, die verlorene Liebe, den verlorenen Mann, das verlorene Kind, das verschwundene Double. Alles wird zur Beute für die Kunst - und die Fotografin hat Erfolg damit: Die Serie überzeugt den Galeristen, sie bekommt ihre Ausstellung. Glück liegt darin nicht. Aber Nahrung für den Ehrgeiz, den treuen, gierigen, absoluten, den einzigen Wegbegleiter, der ihr geblieben ist.
FAS Nr. 37, 18. September 2016, Feuilleton Seite 48