So geht Sumak kawsay
Vorbild. Ecuador verpflichtet sich per Verfassung der Idee nachhaltigen Wirtschaftens. Wie das funktionieren kann, beschreibt Alberto Acosta
»Wie schwer es ist, eine nicht quantifizierende Wertewelt zu entwerfen und anschaulich zu machen, zeigt wieder einmal dieses Buch. Was fängt der Leser in Europa, in Deutschland damit an? Er lebt nicht in einer homogenen, aus abzählbar vielen Individuen bestehenden Kleingruppe inmitten des Urwalds, sondern in einer hochkomplexen, technisierten, postindustriellen, global vernetzten, von natürlichen Kreisläufen abgeschnittenen, zumeist anonymen urbanen Umwelt, von staatlichen Institutionen beaufsichtigt und diszipliniert und von der zunehmenden Ökonomisierung sämtlicher Lebensbereiche betroffen.
Es lassen sich durchaus Enklaven des ›Guten Lebens‹ etablieren: Gemeinschaftsgärten, Tauschbörsen, Umsonstläden. Aber sie sind entweder nichts als Abfallprodukte der Überproduktion und materiellen Sättigung oder Freizeitbeschäftigungen. Die große Transformation scheitert an den Besitz- und Eigentumsverhältnissen. Ob sich aber eine gerechtere Güterverteilung, die die Voraussetzung für eine Entkommerzialisierung aller Lebensbereiche wäre und für eine Wirtschaft, die dem Prinzip der Suffizienz folgt, durch Transformation herstellen lässt, darf bezweifelt werden. Acostas Buch wirkt eher wie die in die Zukunft projizierte Beschwörung einer – nie gewesenen – Vergangenheit. Dass die Umsetzung der ecuadorianischen Verfassungsgrundsätze in Realpolitik immer schwieriger wird, erstaunt da nicht. Die Instrumente sind schön, aber stumpf.«
Der Freitag Nr. 14, 2. April 2015, Literatur Seite 20
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