Bücher Eine wahrhafte Reise stellt einen vom Kopf auf die Füße. Denn eine Reise beginnt ja, lange, bevor man sie antritt, auf den Spuren eines anderen: zuhörend, lesend, träumend. So war es bei Goethe der Fall. Sein Vater Johann Caspar war 1740 in den schönen Süden gereist und schwärmte sein ganzes Leben davon. Als Goethe dann 46 Jahre später selbst seine Grand Tour macht, »ist alles, wie ich mir’s dachte, und alles neu«. Besonders der Süden, Neapel fordern ihn heraus, die griechischen Tempel, der Vesuv, das Treiben in der damals drittgrößten Stadt Europas. Aber Goethe wäre nicht Goethe, wenn ihn die Irritation durch die Anschauung nicht auf neue Ideen gebracht hätte. Von seinem lebenslang produktiven Umgang mit Stadt, Landschaft, Leuten und der Ausstrahlung, die seine Sicht auf Neapel und den Süden bis heute hat, erzählt Dieter Richter in »Goethe in Neapel« (Wagenbach, 144 Seiten, 15,90 Euro) pointiert und kenntnisreich. Absolut lesenswert.
Dieter Richter: »Goethe in Neapel«. Wagenbach 2012, 144 Seiten, 15,90 Euro
FAS Nr. 24, 17. Juni 2012, Feuilleton Seite 28