Literatur Sommer, Sonne, Strand, Meer – und die Frage nach der passenden Urlaubslektüre ist immer noch nicht geklärt? Vielleicht sollte man sich mal von Lyrik berauschen lassen, von diesen windumtosten, sonnendurchglühten, mondbeschienenen, leuchtturmlichtüberschweiften Gedichten hier, die alle ein ganz bestimmtes Meer und seine Inseln und Halbinseln beschwören und die an ihm gelegenen Städtchen und Wäldlein: die Ostsee. Ron Winklers Anthologie, »Die Schönheit ein deutliches Rauschen«, hat einen gekräuselten Wellenumschlag und sandgelbes Vorsatzpapier, sie versammelt Ostseegedichte, so abwechslungsreich wie Landschaft und Wetter, wie Vor- und Haupt- und Nachsaison. Es geht ums Auf und Ab der Wellen, das Tosen des Winds, Muschel- und Steine- und Strandgutsammeln und um Sagen und Märchen, die, wenn der Sand ins Ohr rieselt und die Möwenpagenschar sich unter der Mittagshitze duckt, wenn die Kiefern knacken und die Pilze riechen, zu wispern beginnen. Die Dichter sind allesamt Landratten, sie schauen aufs Meer vom deutschen, polnischen, baltischen, dänischen, schwedischen Ufer aus, umkreisen die Ostsee, kreisen sie ein, nur selten wagt sich einer wirklich hinaus auf den »zerbrochenen Spiegel« (André Schinkel). Natürlich kann man diese Gedichte auch an jedem anderen Meer lesen – oder auf dem Balkon.
Ron Winkler (Hg.): »Die Schönheit ein deutliches Rauschen. Ostseegedichte«. Edition Wörtersee, Connewitzer Verlagsbuchhandlung Peter Hinke, 150 Seiten, 15 Euro
FAS Nr. 29, 25. Juli 2010, Feuilleton Seite 22