Pflanzen haben es im Vergleich zu Tieren in Kinderbüchern schwer. Fast immer sind sie nur Hintergrund für die rumwuselnden Helden, die Pelz, Federn oder glatte Haut und Rüssel tragen. In der freien Wildbahn ist es ähnlich. Taucht eine Ziege in der Nähe eines Kindes auf, wird sie gefüttert und gestreichelt, eine Hummel oder ein Schmetterling wird angestaunt. Aber selbst ein phantastisch blühender japanischer Kirschbaum ist in ihren Augen bloße Deko. Kinder lieben Bewegung und Tun, daher darf man ihnen keine Vorträge halten, sondern muss sie selbst buddeln, gießen und harken lassen, will man ihr Interesse an Pflanzen wecken. So macht es auch der Großpapa von Tinka in dem Buch »Tinkas Tomaten« von Sanne Dufft. Bei einem Besuch im Frühling bringt er einen Korb voll Tomatenpflänzchen mit und zeigt der Enkeltochter, wie man sie pflanzen, gießen und anbinden muss, damit sie wachsen. Tinka kümmert sich rührend um ihre Tomaten und organisiert sogar einen Bewässerungsdienst, als sie im Sommer in die Ferien fährt. Nach ihrer Heimkehr wird sie bis in den Herbst hinein mit leckeren Tomaten belohnt, von denen sie viele selber isst, mit denen sie aber auch ihre Helfer beschenkt. Sanne Dufft hat diese einfache Geschichte mit viel Liebe zu kleinen und großen Pflanzen, Gärtner*innen, ja, pathetisch gesagt, zum Leben gezeichnet, ohne didaktisch oder moralisierend zu sein. Ein wunderbares Buch, das den kindlichen Balkontomatenanbau begleitet und ganz nebenher den Sinn für die Wunder des Wachstums, für Empathie und Fürsorge nährt.
Sanne Dufft: »Tinkas Tomaten«. Verlag Urachhaus, 32 Seiten, 16 Euro, ab 4 Jahren
FAS Nr. 31, 2. August 2020, Feuilleton Seite ??, nur in der Ausgabe für Mannheim