Für die Tasche
Die meisten von uns kennen Leuchttürme nur aus der Ferne, sei es am Ufer oder auf See. Da stehen sie an der Küste im Sand, auf winzigen Inseln und hohen Felsklippen und leuchten Nacht für Nacht übers Meer. Aber wie sah es eigentlich in so einem Leuchtturm aus, wie lebte es sich in ihm, war es nicht furchtbar einsam, langweilig und auch gefährlich? Sophie Blackall hat ein wundervoll genaues, einfühlsames Kinderbuch geschrieben und gemalt, das die Perspektive umdreht und vom gleichmäßig-eintönigen, manchmal aber auch sehr dramatischen Leben eines Leuchtturmwärters erzählt. Die strenge Routine seiner dienstlich vorgeschriebenen Aufgaben wie Lampenputzen, Ölnachfüllen, Waschen oder Logbuchschreiben wechselt sich ab mit kleinen Freuden und Heldentaten: Täglich schreibt er an seine Frau Alice und schickt ihr Flaschenpost. Er angelt, näht, dann rettet er drei Matrosen vor dem Ertrinken. Seine Frau kommt an, und ein Kind wird geboren. Jede der liebevoll in einer Mischtechnik aus chinesischer Tinte und Wasserfarben gemalten Doppelseiten vereint das Gleichmaß aus Alltag, Wetter, Jahreszeiten mit den besonderen Vorkommnissen; so entsteht nicht nur eine Erzählung über das Leben eines Leuchtturmwärters vor hundert Jahren, sondern ein Gleichnis über das menschliche Leben überhaupt. Ganz schlicht, genau, grandios.
Sophie Blackall: »Hallo Leuchtturm«. Aus dem Englischen von Anna Schaub. Nord Süd 2020, 48 Seiten, 16 Euro, ab vier Jahren
FAS Nr. 51, 20. Dezember 2020, Reise Seite 50