Wenn nach der Wirkung von Literatur gefragt wird, ist beim Versuch einer Antwort die Geste der Gewißheit nicht am Platze. Was auch darüber schon geschrieben wurde: der Eindruck von Wunderbarem bleibt. Was da Tausende von Lesern als ihr Erlebnis, ihr Problem, ihr Gefühl wiedererkennen, hat einer aufgeschrieben, der hauptsächlich, vielleicht ausschließlich nur von sich selbst (und vielleicht nur er) so gedacht, gefühlt, erfahren hat ... Und je stärker er von seiner Lust und seinem Leid ergriffen ist, je genauer er seine Gedanken analysieren, seine Meinungen ausdrücken kann, je ehrlicher und vollständiger er sich selbst gibt, desto tiefer wird die Wirkung sein ...
Diese Möglichkeit allgemeiner Wirkung beruht auf dem Beispielhaften, das der Künstler seinem individuellen Fall zu geben vermag. Scheinbar paradoxerweise wird das aber nicht erreicht durch Allgemeinheit der Darstellung. Ganz im Gegenteil: gerade das Konkrete, Individuelle, Zeit- und Ortsgebundene kann einer Geschichte die Genauigkeit und Stimmigkeit geben, die sie exemplarisch macht und damit nacherlebbar ... (Günter de Bruyn, Der Künstler und die anderen)
Günter de Bruyn: Babylon. Erzählungen