In der Bahn
Täglich fährt Tine Høegs »Neue Reisende« (...) mit der Bahn von ihrem Wohnort zu der Schule, wo sie gerade als Dänischlehrerin ihre erste Stelle angetreten hat. Eine Pendlerin wie Tausende andere, jung, voller Wünsche und Zweifel, einsam. Gleich auf der ersten Fahrt lernt sie einen zehn Jahre älteren Mann kennen, beginnt mit ihm eine Affäre, obwohl er verheiratet ist, ein Kind hat. Schon nach kurzer Zeit bekommt sie ihn nicht mehr aus ihrem Kopf, stellt sich eine Zukunft vor, die es nie geben wird, dann bricht wieder der Schulalltag über sie herein. Die 1985 in Dänemark geborene Tine Høeg hat für ihren ersten Roman eine Form gefunden, die knapp und streng ist wie ein Prosagedicht, aber auch offen und weit und so einer Fahrt durch die im Spätherbst löchrig gewordene Peripherie aneinandergereihter Vororte ähnelt – die Substantive sind partikellos wie die Zweckbauten an der Bahnstrecke, die Sätze elliptisch verknappt wie frisch gestutztes Abstandsgrün, der Rhythmus wechselt je nach Erzählgelände, in das immer wieder die Sonne lakonischen Humors hineinblitzt.
Tine Høeg: »Neue Reisende«. Roman. Aus dem Dänischen von Gerd Weinreich. Droschl, 200 Seiten, 19 Euro
FAS Nr. 8, 23. Februar 2020, Feuilleton Seite 38